Zauberwörter, alte Hüte und die Möbelbranche

Zauberwörter, alte Hüte und die Möbelbranche

Ökonomie im Zeichen der Zeit

Zeiten ändern sich. Und nein, es wird nicht wieder wie früher.
Und es hat nur bedingt mit Corona zu tun.

Der ökonomische Wandel rollt auch durch die Möbelbranche, stetig und unumkehrbar. Und wer anderer Meinung ist, schaue bitte in die Branchen der Stahl- und Automobilindustrie.

Das Gute dabei ist, dass die Möbelianer von den Erfahrungen und Veränderungen der anderen Branchen lernen und profitieren können – wenn die Zeichen der Zeit erkannt werden.

Wo Bewährtes helfen kann und Neues kommen muss

Die lange Tradition der Möbelherstellung in der D-A-CH – Region mit Schwerpunkt auf Deutschland ist eine solide ökonomische Basis. Mit Blick auf die Ressourcen ist die holzverarbeitende Industrie innerhalb der Branche grundsätzlich gut aufgestellt. Vielseitigkeit in den Fertigungen, Effizienz in den Unternehmensorganisationen und Fertigungsprozessen ergeben Vorteile bei den Gestaltungsmöglichkeiten für die Programmbreiten und -tiefen.

Die Erfüllung der verschiedenen Bedürfnisse im Markt ist von Sonderanfertigungen über kleine Serien, große Losgrößen bis zur flexiblen Erneuerung der Produktpalette gegeben. Gleichzeitig geben zertifizierte Herstellungsverfahren nach Normen und Standards dem Kunden ein Qualitätsversprechen. 
Um der Möbelbranche generell ein wirtschaftliches Überleben und auch neues Wachstum zu sichern, liegt der Fokus daher nicht in erster Linie auf den Produktionsmöglichkeiten.

Die Entwicklung der Kundengenerationen und dem damit einhergehenden veränderten Konsumverhaltens zwingen die Möbelbranche zu einer Neuausrichtung der Geschäftsabläufe vom Rohstofflieferanten über Produzenten bis zu den Handelspartnern.
Möglichkeiten einer Zusammenarbeit im eigenen Wettbewerbsumfeld gilt es dabei ebenso zu prüfen wie die strukturelle Aufstellung zwischen dem Handel und branchenverbundenen Dienstleistungsbereichen zur Nutzung von Synergien beispielsweise in den wirtschaftlichen und demographischen Ballungsgebieten.

Welche wirtschaftlichen Möglichkeiten sich für alle Beteiligten in diesem Transformationsprozess mit einer Option „Rent the Furniture“ – einem Angebot zum „Vermieten und Mieten“ von Möbelprodukten ergeben, dies soll nachfolgend konkret an zwei Handlungsfeldern skizziert werden

Coopetition - Gemeinsam statt einsam

Das Zauberwort ist nicht mehr ganz neu, hat aber ein enormes Potential für Krisenmanagement und Neuausrichtung von Wirtschaftsbereichen, auch für die Möbelbranche.

Coopetition steht für die Kombination von Zusammenarbeit (Cooperation) und Wettbewerb (Competition) und geht im Ursprung auf die beiden Ökonomen Barry Nalebuff und Adam Brandenburger in ihrem gleichnamigen Buch von 1996 zurück.

Was früher undenkbar gewesen wäre, wird inzwischen zum Normalfall, vermeintlich bittere Gegner verbünden sich und machen gemeinsame Sache. Doch dafür müssen sie nicht gleich komplett fusionieren, einzelne Gemeinschaftsprojekte tun es auch:
Einen klassischen Fall von Coopetition beschreibt das Handelsblatt in der Ausgabe v. 16.09.2019 am Beispiel Mobilität.
Hier arbeiten Volkswagen, Ford, Amazon, Microsoft und die Google-Tochter Waymo zusammen am Thema autonomes Fahren.

Was wäre, wenn in unserer heutigen, sich permanent veränderten, Zeit ein Bedarf für Massivholz-Tische aller Größen und Formen durch neue Zielgruppen und damit Nutzungsmöglichkeiten entstehen würde?

Tischler, Schreiner, Manufakturen könnten ein separates Angebot für Vermietung gemeinsam aufbauen – ein erster Ansatz für Coopetition. Onlineportale im Retailbereich würden sich für diese Vermarktung öffnen und einen entsprechenden Marktzugang für die Kundengruppen ermöglichen, gemeinsame Vertriebs-, Logistik- und Aufbereitungsprozesse aufbauen und organisieren.

Jeder tritt mit seiner Marke unter einem gemeinsamen Dach an. Rent as a Service.
Wenn man diesen Gedanken aufnimmt, für es zu einem zweiten konkreten Handlungsfeld.

Urban Manufacturing - Der Musketier-Effekt

Grundsätzlich ist das Thema Urban Manufacturing ein „alter Hut“.

Aber im Hier und Heute geht es tief durch alle Wirtschaftsbereiche.
Die Städte wachsen weiter und damit auch der Bedarf, das Konsumerlebnis wieder stärker in Wohnumfeld zu realisieren. Die Ansätze, darauf zu reagieren, sind auch schon in ersten Konzepten in der Möbelbranche vorhanden. Möbelhäuser kommen zurück in die Innenstädte, öffnen sich für Kooperationen mit New Work-Anbietern wie Coworking-Spaces oder für Shop-in-Shop-Systeme.

Das Beispiel Massivholz-Tische hier wieder aufgenommen. hätte dies weitreichende Optionen für langfristige neue Strukturen für den Handel und die damit verbundenen Dienstleistungen. Das holzverarbeitende Handwerk ist in den Städten alteingesessen, besitzt Knowhow und Kundenakzeptanz. Allerdings ist die Auftragslage ein Thema.

Nutzt man dieses Potential aber für die Rückführung, Wiederaufbereitung der Produkte ist das erste „win-win“ gegeben. Kurze Wege, kompetente Partner, schnelle Reaktionszeiten auf Kundenwünsche – alles vor der Tür.

In einem weiteren Schritt ist es überlegenswert, räumliche Kapazitäten der Handwerkspartner für Showrooms oder/und DIY-Kundenangebote mit einzubinden. Selbst das schwierige Thema der Logistik für die Rücknahme und Auslieferung sowie die Pflege Vorort ist eine Option im gemeinsamen Denkprozess aufgrund der Fachkompetenz der Partner.

Einer für Alle. Alle für Einen. Kundennähe par excellence.

Dieses eine ausgewählte Beispiel zeigt das Potential neue Angebotsoptionen über „Vermieten / Mieten“ in Ergänzung zu bestehenden Aktivitäten. Es ist alles vorhanden. Es bedarf nur der Bereitschaft, sich für neue Überlegungen zu öffnen. Rent as a Service verdrängt nicht die vorhandenen Strukturen, es erweitert die Angebotsvielfalt – und folgt ganz klar den zeitgemäßen Anforderungen der Kunden.

Chancen muss man nutzen. Immer. In diesen Zeiten erst recht. Und der Druck auf die Wirtschaft generell wächst weiter, auch auf die Möbelbranche.

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